Lexikon der Phantominseln

Geographische Irrtümer und Kartenfehler: von Atlantis über Thule bis Sandy Island

"Den ganzen Tag über sah das Trugbild der Eissee aus wie ein immenses Land. Es schien uns zu narren. Es schien so nah und so leicht zu erreichen, wenn wir nur umkehren würden ..."

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Erfundene Inseln (nicht nur) in historischen Seekarten

Sinnestäuschungen, Machtgelüste, Hochstapelei: Immer wieder haben es Inseln auf die Karten der Weltmeere geschafft, die in Wahrheit nie existierten. Darunter waren Antilia und Atlantis, Baltia und Breasil, Frisland, die Sankt-Brendan-Inseln, ferner Terra Australis incognita, Thule und die jüngst entlarvte Phantominsel Sandy Island. Immer wieder wurden sie zum Ziel von Expeditionen – und immer vergeblich. Dreißig der berühmtesten Inseln, die es nie gab, sind hier versammelt, dreißig verrückte Geschichten von menschlicher Hybris, Fantasie und blauem Dunst.

»Dirk Liesemer mischt Entdeckergeschichte, kartographische Anekdoten, Kultur und Politik zu einem sehr unterhaltsamen, feinen kleinen Buch für Liebhaber verrückter Geographie«

Deutschlandradio Kultur
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Mit 23 Karten des renommierten Grafikers Peter Palm
Shortlist
Stiftung Buchkunst Schönste deutsche Bücher 2017

ITB-Reisebuch-Preis Das besondere Reisebuch 2017
Übersetzungen: Chinesisch, Englisch

Ein Gespräch über Phantominseln

Die beiden Historiker Richard Hemmer und Daniel Meßner plaudern in Folge 72 ihres unterhaltsamen, gerne mal abseitigen Podcasts Geschichten aus der Geschichte über Phantominseln, fehlerhafte Seekarten, Kapitänen auf Irrfahrt, mystischen und unentdeckten Inseln; sie stellen dabei auch das Lexikon vor und lassen den Autor ein paar Sätze beisteuern.

Leseprobe: Vorwort


Jahrhundertelang glaubten Seefahrer, Könige, Militärs, Piraten und Kartenmacher an die Existenz von Inseln, die es in Wirklichkeit niemals gegeben hat. Immer wieder rückten Expeditionen aus, um sie zu erkunden. Und nicht wenige Kapitäne erzählten, sie hätten tatsächlich Aurora oder Breasil betreten, Frisland, Juan de Lisboa, die Insel Kalifornien oder den Südkontinent Terra Australis.

Die Geschichten der dreißig Phantominseln dieses Buches sind dreißig Reisen durch die Ozeane und kreuz und quer durch die Weltgeschichte. Jede Insel hat ihre ganz eigene Geschichte, doch zwischen den Zeilen blitzen das Denken und die Vorstellungen jener Epoche auf, in der eine Geschichte aufkam oder weitergetragen wurde. So postulierten Geografen wohl nicht zufällig just zu jener Zeit eine Magnetinsel, als sich in Europa die ersten Kompasse verbreiteten. Unter den Konquistadoren kursierten Vorstellungen von einem sagenhaften Gold-Eiland und einer schroffen Felseninsel, auf der halb nackte Amazonen lebten. Gläubige Christen träumten derweil von einem Utopia frommer Katholiken mtten im Atlantik und fürchteten sich zugleich vor Satanazes, der Insel des Teufels.

Nicht wenige Inseln sind alten Geschichten oder mythischen Berichten entnommen, Thule etwa oder Atlantis, das in der Neuzeit als ernsthafte Spekulation in die Karten gelangte. Andere Inseln entstammen mündlichen Überlieferungen. So soll schon im 6. Jahrhundert der irische Priester Brendan nach einer Insel der Glückseligen gefahndet haben. In mehr als hundert Varianten ist seine Irrfahrt überliefert. Wieder andere Inseln gehen auf sonderbare Logbucheinträge, flirrende Luftspiegelungen oder simple Missverständnisse zurück, auf feinsinnige Scherze, handfesten Betrug oder üble Protzerei. Wie sich die jeweiligen Zutaten zu einer Geschichte verdichteten, wie Seefahrer ihre eigenen Erlebnisse mit Gehörtem mischten, darüber lässt sich nur spekulieren.

Theorie vom Gleichgewicht der Erde

Mit den Entdeckungsfahrten kamen massenhaft Irrtümer in die frühen Inventare geografischen Wissens. Die ersten Karten enthielten zunächst kaum mehr als Listen von Häfen und gefährlichen Brandungen. Manche Mutmaßungen gründeten auch in kuriosen Theorien wie jener vom Gleichgewicht der Erde. Damit sollten große Landmassen auf der Südhalbkugel oder am nördlichen Polarkreis theoretisch bewiesen werden. Während etliche Phantominseln auf den Karten wie führerlose Schiffe umhertrieben, immer am Rande der bekannten Welt, waren von anderen sogar Flüsse, Berge und Städte namentlich bekannt.

Viele Inseln waren Sehnsuchtsorte. Die Philosopheninsel Kantia etwa, aber auch Sankt Brendan oder Antilia, welche darüber hinaus wohl erst Kolumbus’ Reise nach Westen ermöglichte. Und immer wieder stritten Staaten um nicht existente Inseln. England etwa erklärte kurzerhand ein gutes Dutzend zu altem königlichen Besitz. Die Vereinigten Staaten sicherten sich durch ihren Unabhängigkeitskrieg zwei vermeintliche Inseln im Oberen See. Sogar die Internationale Datumsgrenze erhielt einmal einen Knick nach Westen, damit der Tag über einer amerikanischen Phantominsel endete.

Oft ist die Widerlegung der Existenz einer Insel spannender, aber auch komplizierter und gefährlicher als deren Entdeckung. Unter den Gegenspielern der Entdecker tummelten sich nicht wenige Deutsche, etwa der Luftfahrtpionier Hugo Eckener, der Zoologe Carl Chun oder der Polarforscher Wilhelm Filchner, der noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts sein Leben für den Nachweis einer Nichtexistenz riskierte.

Vergebliche Suche nach Pazifikinsel

Diese dreißig Geschichten sind keineswegs nur kurios. Sie lassen sich als Teil einer viel größeren Erzählung lesen: Immerzu versuchen wir Menschen uns einen Überblick über die Welt zu verschaffen und sind doch der ständigen Vorläufigkeit allen Wissens ausgeliefert. Wir streben nach endgültiger Gewissheit und blicken dabei kaum über den Tellerrand unserer Zeit hinaus. Zu schnell wird vergessen, dass Kartografen erst lernen mussten, Legenden, Meinungen und Fakten zu unterscheiden. Lange brauchte es, bis sich ein verlässlicher Wissensschatz angesammelt hatte. Das präzise Bild der Erde, wie wir es kennen, ist eine sehr junge Errungenschaft.

Heute ist so ziemlich alles erkundet, vermessen und erforscht. Zuweilen aber tauchen alte Entdeckungen plötzlich wie Treibgut wieder auf. Vor wenigen Jahren erst stritten mexikanische Parlamentarier über den Verbleib einer Insel im Golf von Mexiko. Zuletzt gab es im September 2012 Presseberichte über die vergebliche Suche nach einer Pazifikinsel, die es sogar auf die digitalen Karten geschafft hatte.

Vermutlich stehen noch Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Phantominseln in den Navigationskarten. Schließlich zählt allein Indonesien 13 677 Eilande. Weltweit dürfte es 130 000 geben, vielleicht auch 180 000 – genug Projektionsflächen für neue fabelhafte Geschichten.

Erst am 19. Februar 2000 begann eine der jüngsten Erzählungen. In einem Zeitungsbericht hieß es, dass die Astronauten der Endeavour einen unbekannten Archipel in der Andamanensee ausgemacht hätten, einem Randmeer des Indischen Ozeans. Dort seien deutlich sieben Inseln zu erkennen gewesen, die in einem Kreis vor der Küste Thailands lägen. In dessen Mitte solle ein noch größeres Eiland pupillenartig hervorstechen. Das Ensemble habe ausgesehen wie das Auge eines Elefanten. Und wer weiß, vielleicht werden auch diese Inseln in die Karten gelangen, ehe herausgefunden wird, dass sie gar nicht existieren.

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